"Die
Wallfahrt nach Kevlaar" fra "Die Heimkehr (1823 -1824)
1
Am Fenster
stand die Mutter,
Im Bette lag
der Sohn.
»Willst
du nicht aufstehn, Wilhelm,
Zu schaun die
Prozession?«
»Ich bin
so krank, o Mutter,
Daß ich
nicht hör und seh;
Ich denk an
das tote Gretchen,
Da tut das
Herz mir weh.« -
»Steh
auf, wir wollen nach Kevlaar,
Nimm Buch und
Rosenkranz;
Die Mutter
Gottes heilt dir
Dein krankes
Herze ganz.«
Es flattern
die Kirchenfahnen,
Es singt im
Kirchenton;
Das ist zu
Köllen am Rheine,
Da geht die
Prozession.
Die Mutter folgt
der Menge,
Den Sohn, den
führet sie,
Sie singen
beide im Chore:
Gelobt seist
du Marie!
2
Die Mutter
Gottes zu Kevlaar
Trägt
heut ihr bestes Kleid;
Heut hat sie
viel zu schaffen,
Es kommen viel
kranke Leut.
Die kranken
Leute bringen
Ihr dar, als
Opferspend,
Aus Wachs gebildete
Glieder,
Viel wächserne
Füß und Händ.
Und wer eine
Wachshand opfert,
Dem heilt an
der Hand die Wund;
Und wer einen
Wachsfuß opfert,
Dem wird der
Fuß gesund.
Nach Kevlaar
ging mancher auf Krücken,
Der jetzo tanzt
auf dem Seil,
Gar mancher
spielt jetzt die Bratsche,
Dem dort kein
Finger war heil.
Die Mutter nahm
ein Wachslicht,
Und bildete
draus ein Herz.
»Bring
das der Mutter Gottes,
Dann heilt
sie deinen Schmerz.«
Der Sohn nahm
seufzend das Wachsherz,
Ging seufzend
zum Heilgenbild;
Die Träne
quillt aus dem Auge,
Das Wort aus
dem Herzen quillt:
»Du hochgebenedeite,
Du reine Gottesmagd,
Du Königin
des Himmels,
Dir sei mein
Leid geklagt!
Ich wohnte mit
meiner Mutter
Zu Köllen
in der Stadt,
Der Stadt,
die viele hundert
Kapellen und
Kirchen hat.
Und neben uns
wohnte Gretchen,
Doch die ist
tot jetzund -
Marie, dir
bring ich ein Wachsherz,
Heil du meine
Herzenswund.
Heil du mein
krankes Herze -
Ich will auch
spät und früh
Inbrünstiglich
beten und singen:
Gelobt seist
du, Marie!«
3
Der kranke
Sohn und die Mutter,
Die schliefen
im Kämmerlein;
Da kam die
Mutter Gottes
Ganz leise
geschlichen herein.
Sie beugte sich
über den Kranken,
Und legte ihre
Hand
Ganz leise
auf sein Herze,
Und lächelte
mild und schwand.
Die Mutter schaut
alles im Traume,
Und hat noch
mehr geschaut;
Sie erwachte
aus dem Schlummer,
Die Hunde bellten
so laut.
Da lag dahingestrecket
Ihr Sohn, und
der war tot;
Es spielt auf
den bleichen Wangen
Das lichte
Morgenrot.
Die Mutter faltet
die Hände,
Ihr war, sie
wußte nicht wie;
Andächtig
sang sie leise:
Gelobt seist
du, Marie!
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